Finanzielle Sorgen? Dann lesen meine Lottoschein-Geschichte! Und noch eins: Ein trockener Schwamm gibt kein Wasser!
Das doppelte Lottoscheinchen oder Einmal ein Wunder!
Ilona rannte die Straße hinunter, der Bus war soeben an ihr vorbeigefahren und würde gleich da vorne halten, da, wo sie einsteigen musste. Sie musste unter allen Umständen den Sechsunddreißiger bekommen, um pünktlich bei ihrem Putzjob zu erscheinen, Zuspätkommen würde sie den Job kosten. Das wäre fatal, denn Ilona hatte zu Hause eine Tochter, die an den Rollstuhl gebunden war. Sie brauchten das Geld, das sie verdiente, dringend. Viel war es nicht, aber besser als nichts und allemal besser als von der Fürsorge zu leben war es auch. Ilona war erst seit sechs Wochen in dieser Stadt, in Deutschland überhaupt, so kannte sie keine Menschenseele hier, wer würde sie also unterstützen? Ilona eilte zur Haltestelle. Mit ihrer schlanken drahtigen Gestalt kam sie nicht so schnell aus der Puste, sie war einiges gewöhnt und konnte schnell laufen. Der Bus hielt an und Ilona erreichte ihn gerade mal so, stieg sofort ein nachdem sich die Türe unter Ächzen und Stöhnen geöffnet hatte und hatte sogar einen Sitzplatz ergattert als sich die Türe hinter ihr langsam und ächzend wieder schloss. ‚Den Lottoschein, oje, den muss ich heute unbedingt abgeben‘, dachte sie. ‚Ich darf es nicht vergessen, weil heute der letzte Tag ist‘. Sie dachte auf Ungarisch, denn sie kam aus Ungarn. Heute war Samstag. Bis zum Mittag, da schloss das Lottogeschäft, wollte sie ihren Schein abgeben. Sie spielte immer nur zwei Kästchen und diese vier Wochen. Ihre Zahlen waren die ihres Geburtstags, also 7 für den Tag, 5 für den Monat. Die 17, das Alter ihrer Tochter und die 46 ihr Alter. Die beiden letzten Zahlen waren der Geburtstag ihrer Anya, was im Übrigen auf Deutsch Mutter heißt: 21 und 12. Ihre Anya hatte am 21.12. Geburtstag! Sie hatten sich lange nicht gesehen, Ilona vermisste sie sehr, hatte auch manchmal Heimweh nach ihrem Ungarn, ihrer Familie und ein paar Freundinnen. Einmal im Monat ging Ilona ins Internet-Café und schrieb ihnen allen E-Mails, las deren Antworten. Einen Computer konnte sie sich beileibe nicht leisten und sie reservierte jeden Monat einen kleinen Betrag, um sich von dort auszutauschen. Sie freute sich, wenn sie Neuigkeiten von zu Hause erfuhr, wenn sie hörte, dass ihre Anya Besuch von Viktoria bekam, Viktoria war die älteste Tochter von Ilonas Freundin Erika und hatte vor kurzem geheiratet. Sie war nun schwanger und berichtete, dass ihr Mann plante nach Deutschland zu kommen, um Geld für die Familie zu verdienen. In ihrem Dorf gab es keine Arbeit und auch sonst stand es nicht gut mit Arbeit in ihrem Land. Doch ihre Anya kümmerte sich um alle. Sie backte Kuchen, kochte und nahm sich alle Zeit der Welt, um sich die Sorgen und die Freuden der jungen Leute anzuhören. Viktoria war erst einundzwanzig Jahre und hatte keine Ahnung, wie schwer es auch in Deutschland sein konnte. Ach, wäre das schön, so ein kleiner Lottogewinn, wenigstens ein paar tausend Euro und alles wäre gut. Oder doch ein bisschen mehr vielleicht? Ilona würde ihre Anya nach Deutschland holen, dann wäre Monika nicht mehr so oft alleine. Ihre Anya würde sich um sie kümmern und Ilona könnte sich in aller Ruhe eine bessere Arbeit suchen oder, wenn der Gewinn höher ausfiele, könnte sie ein Haus in Ungarn kaufen und die ganze Familie drin wohnen lassen. Sie könnten Obst......
Fortsetzung im Buch: Der Sprung durch die Küche, Doppelband
In diesen Zeiten
Gestern ist eine liebe Freundin von mir gestorben. Sie war 71 Jahre und wäre bald 72 geworden. Sie starb plötzlich. Niemand hat damit gerechnet. Ja, irgendwann, in den nächsten Jahren, und nein, jetzt nicht!
Sie starb nicht an Corona. Das ist sicher.
Alle im Ort kannten sie und alle sind erschüttert. Sie erzählte immer so wunderbare Geschichten aus ihrem Leben. Ich hörte ihr gerne zu, denn ich liebe Geschichten, die das Leben schrieb, die die Menschen selbst bewegten.
Sie starb in Zeiten von Corona. Die gab mir zu denken. Zeiten, in denen alle Menschen #zuhausebleiben, Zeiten der Isolierung, der Einsamkeit, für alte und ältere Menschen ohne Zweifel schwere Zeiten.
Die letzten Wochen drehte sich doch alles nur noch um Corona, als gäbe es nichts anderes, nichts Wichtigeres mehr.
Meine Freundin und ich tranken keinen Kaffee bei unserem – unerwarteter weise – letzten Treffen, aber wir versprachen uns, dass wir das so bald als möglich tun würden; einen Kaffee und ein wunderbares Stück von ihrem selbst gebackenen Kuchen. Das konnte sie so wunderbar. Wer alles liebte ihre Kuchen. Sie konnte alle Sorten Kuchen und Torten und, das darf man nicht verhehlen, sie kannte auch alle Tricks, wie man den Kuchen geschmackvoller und trotzdem günstig, kalorienarm und doch außergewöhnlich lecker backen konnte. Das war wirklich erstaunlich wie sie trotz Gehbehinderung und diversen Schmerzen so souverän und flink die tollsten Leckereien zauberte. Wir liebten dich dafür und nicht nur dafür.
Sie ist in Zeiten von Corona von uns gegangen, sie wird die Zeit danach nicht mehr erleben.
Wir werden unsere zauberhaften Kaffeerunden und Geschichtenaustäusche und nach Corona nicht mehr gestalten. Wir mussten sie alleine lassen in Zeiten Coronas. Wir dürfen niemanden umarmen, trösten, auch nicht uns.
Vielleicht war es doch Corona?
Wer weiß!
Naumburg HE, 27. März 2020